Mulis Hufe fliegen.

Muli sucht die Weide und läßt das Hüfchen fliegen. Sie krault meinen Rücken und gibt die Vorderhufe. Muli wird geklickert und läuft frei. … …

Am dritten Morgen nach Ankunft stand Lissy morgens früh mit den Vorderhufen auf dem Straßenasphalt mitten in der Hofeinfahrt und schaute sich die Dorfstrasse an. Kam ich gerade rechtzeitig oder stand sie da schon eine Stunde und überlegte wo es am besten zur Weide geht?
Sie ließ sich sofort mit “Lissy komm” locken, holte sich ihr Möhrchen ab und wurde wieder zu Ghana verfrachtet. Wo war die denn ausgebüxt? Der Strom war doch perfekt oder doch nicht? Nach einigem Suchen fand ich das Leck in der hintersten Ecke am Waldsaum. Dort wo eine dichte Brombeerhecke über drei Meter Länge nicht mit Litze sondern mit stabilem Seil in drei Etagen abgesichert war. Meine Pferde wären da nie durchgeklettert. Danach musste Lissy den ganzen Paddock von außen umrundet haben, um vorne am Eingangsbereich zu landen, die Hofeinfahrt zu bewachen und zu überlegen was wohl jetzt am lustigsten wäre. Also habe ich meine schönen ertragreichen Brombeeren abrasiert bis auf den Boden und auf diese drei Meter auch noch Strom gelegt.

Beim Wassertrog reinigen stand Lissy plötzlich und unbemerkt bis auf wenige Zentimeter hinter mir. Sie war leise wie eine Katze. Sie schaute mir über die Schulter. Ihre Neugierde trieb sie nun immer wieder zu mir. Wenn sie zu mir kam bekam sie eine freundliche Ansage und sonst wollte ich nichts von ihr. Ihre Neugierde ist wunderbar, solche Tiere lernen schnell. Sie beobachtete auch aufmerksam was Ghana und ich so trieben: warum kriegt die denn jetzt ein Möhrchenstückchen?

Die täglichen Anfassübungen machten Fortschritte. Das Seil brauchte ich immer noch, um ihren Kopf bei mir zu halten, damit sie mir nicht blitzartig die Hinterhand zuwendete.
Um zu sehen, was so ein Mini-Muli alles mit den winzigen Hinterhüfchen machen kann berührte ich sie mit einem verlängertem Arm, einer Kratzhand, vom Rücken hinunter zum Bauch hin. Ihr Huf flog dermaßen schnell nach seitlich, vorne hoch, dass er kaum zu sehen war. Gut, dass ich mich schon belesen hatte was Esel so können, und dass ich nicht über ihre Schulterlinie hinaus stand. O.K. nun wußte ich wo ich dran bin. Respekt!

Ich hatte Lissy gut im Auge wenn ich mich weiter vorwagte mit meinen Berührungen. Ohren, Schnute, Blick und Schweif waren ihre markanten Signalgeber. Zuerst massierte ich sie mit dem Target und wenn sie das akzeptierte mit meiner Hand.

Lissy mag unter dem Hals gekrault werden, bis knapp zum Brustansatz. Da juckt es aber auch wie vom Floh gebissen. Ihr Fell ist dort weich wie bei einem Kaninchen. Ihre Schnute wird vor Wohlbehagen immer länger und dann sucht sie sich einen Kontrapunkt an meinem Arm oder an meinem Rücken um Gleiches mit Gleichem zu vergelten. Zuckermaus!

Kraulen bis zum Widerrist und bis zum Schweifansatz geht nun auch, aber kräftig bitte wie Eselzähne das eben machen. Das Partnerschaftskraulen macht Lissy recht sanft, mit kräftiger Oberlippe aber ohne Zähne. Vorsichtshalber habe ich aber eine dicke Jacke an, um ihre Liebesbezeugung auch annehmen zu können. Wenn ich sie aber all zu luschig bekrabbele, dann zeigt sie mir schon mal wie sie es gerne hätte, indem sie kurz und kräftig ihre Zähnchen bei mir einsetzt: “So hätte ich es gerne!” Allerdings alles, was nicht pferdetypisch sondern menschentypisch ist, eben Streicheln, Abstreichen oder putzen wollen ist absolutes Tabu.

Ein kurzes Runterstreichen mit der Hand an ihrem Vorderlauf und schon wischt der Schweif ärgerlich hin und her. Hätte ich sie jetzt nicht an der Leine würde sie mir den Hintern zu drehen oder sofort abhauen. Ein bisschen muss sie ihre Komfortzone schon noch erweitern. Jeden Tag ein bisschen mehr.
Bein berühren und weg die Hand, im Rythmus, dran und weg und dran und weg. In Ruhe lassen, Stirn kraulen, Widerrist kraulen, Hals kraulen, Bein berühren, dran und weg … usw. Zuerst mußte Lissy die Berührung akzeptieren ohne auszuweichen. Dann ein leichtes Kneifen mit zwei Fingern am Röhrbein. Dabei das Lernwort “Fuß”. Nach einigen Sekunden warten entlastete sie das Bein. Beim geringsten Anheben des Hufs auch nur für den Bruchteil einer Sekunde schnalzte ich mit der Zunge und es gab sofort Möhrchen. Das Schnalzen ersetzt den Klicker. Es gibt das Signal für “Gut gemacht, genau das will ich von dir”. Am Ende der 1. Woche gab sie mir die Vorderhufe. Es reichte noch nicht zum auskratzen, aber immerhin. Wichtig ist, dass Muli den Huf selber hoch gibt und dass man ihn nicht wegzieht. – Kraulen besiegelt die Freundschaft. Möhrchen natürlich auch!

Die Schleppleine braucht Lissy am Ende der ersten Woche nicht mehr. Bei allen Übungen ist sie nun frei in ihrer Entscheidung zu bleiben oder zu gehen.

Hier geht die Geschichte weiter …

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