Hueten

Hüten um zu dominieren.

Bist Du auch schon mal von Deinem Hund gehütet worden?
Die Schäferhundartigen haben das fast alle mehr oder weniger drauf. Vor allem wenn eine Gruppe mit Ihnen spazieren geht neigen sie zum Umrunden, oder wenn eine Person oder Vierbeiner sich entfernt laufen sie oft hin und her als wollten sie ihm wieder den Weg zur Gruppe weisen. Ich fand das ja immer nett und fühlte mich durch dieses Verhalten beschützt. 
Aber seit dem ich mich mit Kenny konfrontierte, der mit seinen 6 Jahren ein in seinem Charakter und seinen Verhaltensweisen ausgereifter Rüde von 45 Kilo war, beurteile ich das Hüten kritisch.

Kenny brachte einen recht schwammigen Grundgehorsam mit. Beifuß hieß mindestens einen halben Meter vor mir zu gehen. An der Leine bekam er sobald er einen Hund sichtete  hyperaktive Hechelatmung und ich ein Problem auf den Füßen zu bleiben. Sobald er eine Katze sah ging er durch und jagte sie wohin auch immer. Nach einigen dieser Katzenangelegenheiten, einem fast ausgerenktem Schultergelenk, einem Flug vom Fahrrad, und einige  geschockte Hundeführer weil Kenny wieder mal blitzartig in die Leine sprang um eine gesichtete Fellnase auszulöschen, wurden meine Erziehungsbemühungen kurzfristig drakonisch. Ich “nagelte” ihn am Boden fest und fixierte einige Minuten seinen Hals auf der Erde bis er sich entspannte. Mein Stresspegel nach den Ereignissen half mir dabei. So eine reflexartige Demonstration von Dominanz von mir kommt normalerweise gar nicht bis maximal 2x im Leben des Hundes vor, so nachhaltig erzeugt es Respekt. (das Thema wird noch ein eigener Beitrag)
Die Dominanzgeste der Bodenfixierung ruft negative Gefühle beim Hund hervor und wirkt als Strafe. In dem Falle für das Katzen-Jagen. Kenny war fähig seinen Impuls zu kontrollieren und das sich selbst belohnende Verhalten der Jagd abzustellen. Selbstbelohnend deshalb, weil durch die Jagd Endorphine freigesetzt werden die ein gutes Gefühl hervorrufen.

Zudem lernte Kenny frühzeitig dem Begriff “Hinter” zu folgen, was sein Beifuß und seine allgemeine Folgsamkeit im Außengelände erheblich verbesserte.

Was hat das alles mit “Hüten” zu tun? Nun die Katzen ignorierte er seit der Bodenfixierung geflissentlich, aber seine Leinenaggressivität wurde nicht beeinflußt.
Meine Demonstration von Dominanz war nicht geeignet genügend Vertrauen wachsen zu lassen solange ich andererseits Kennys Hüten meiner Person akzeptierte. Hüten steht für behüten also schützen.
Erst als ich mir Kennys tägliches Umrunden verbat bekam meine Autorität ihm gegenüber Gewicht.

Beim Auftakt eines Spazierganges kreiselte er immer besonders um mich herum. Also durfte er erst mal konsequent im “Platz” abwarten bis ich endlich am Start war und den ersten Schritt ins Gelände tat. Dann mußte er etliche Meter im “Hinter” bleiben, bevor er Freilauf bekam. Jegliches Umrunden meiner Person blockte ich ab. Innerhalb einer Woche konnte ich ihn an der Leine an fremden Hunden vorbeiführen ohne körperlichen Krafteinsatz, nur mit Beinflussung meiner Stimme. Er bekam zwar immer noch Hechelatmung, blieb aber bei mir, bzw. hinter mir, wie ich es forderte. Vorher war das undenkbar.

Warum reagierte der Kerl so? Stell Dir vor, Du liebst Jemanden. Die Umwelt in der Du lebst ist nicht immer freundlich gesinnt, das sagen Dir Deine Instinke. Nun gibt es zwei Möglichkeiten wenn du mit Deinem geliebten Wesen hinaus gehst: Entweder es beschützt Dich, oder Du beschützt es. Woher weißt Du wer wen beschützt? Ist das ein körperliches oder mentales Kriterium? Wird die Beschützerrolle erst entschieden wenn ihr den Fuss nach draußen setzt? 
Vor meinem Hüteverbot bekam Kenny jeden Tag auf`s Neue bestätigt, dass er die Autorität besitzt mich zu hüten. Hüten bedeutet vom Inhalt her nicht nur auf den anderen aufpassen, sondern auch Treiben, Richtung und Laufgeschwindigkeit beeinflussen, also den anderen tendenziell zu dominieren. Auch wenn das Hüten nur im Ansatz gezeigt wird wirkt es psychologisch wie: Ich kann das. Es steht in meiner Macht. Ich übernehme den Job auf Uns aufzupassen. 
Zuhause war Kenny sehr folgsam. Aber durch das Umrunden vor dem Gang in das Außenrevier stellte er klar, ich hüte Dich. Wie sollte er darauf vertrauen, dass ich ihn beschütze, wenn ich das Hüten zuließ?

Im Grunde seines Herzens war Kenny beim Kontakt mit Fremdhunden überfordert. Er hatte nie angemessenes Verhalten gelernt. Durch die Ambivalenz zwischen Angst und hormonelles Machogehabe und fehlendes Vertrauen in seinen Menschen entstand Kennys Motto: Angriff ist die beste Verteidigung. 

Kenny und ich machten nachdem ich diese Inkonsequenz der Rudelführung abstellte erhebliche Fortschritte. Besuche von Großveranstaltungen mit Hundebegegnungen wurden plötzlich möglich. Von jetzt auf gleich konnte er andere Hunde einfach ignorieren und mir zutrauen, dass ich auf ihn aufpasse. 

Aykhans Hütedrang

Die Grenzgänger beim Auengang. Kenny ist noch mit dabei. Aykhan zeigt seinen Hütetrieb ohne Unterlass. Hüten bedeutet aber auch dominieren in Form von Richtung und Tempo beeinflussen anderer Rudelmitglieder.

Video 1 (oben) – 
zeigt Kenny, Cosi, Charis und Aykhan. Cosima und Charis absolvieren Anfangs ihr kleines Zickenritual welches Charis nicht wirklich beeindruckt. Aykhan zieht wild seine Kreise erstmal um Kenny. Der läßt sich überhaupt nicht beeinflussen. Bei Sek.17/18 schneidet Aykhan deutlich Cosima, die auch dadurch ihre Laufrichtung ändert und zu mir kommt. Sek.24/25 das gleiche Schema, wobei Cosi aber schon vorausschauend abbiegt und wieder zu mir kommt. Bei Sek.41 schneidet er beide Hündinnen. Sek.50 wieder Cosima. Cosi hält sich vermehrt in meiner Nähe auf.  Sek.109 wieder starkes Schneiden von Cosima. Cosi möchte eigentlich auch frei laufen, biegt aber immer schon vorausschauend zu mir ab um nicht wieder von Aykhan geschnitten zu werden. Die anderen bleiben von dem Rüpel recht unbehelligt. Noch vor einigen Wochen hatte sich Aykhan hauptsächlich auf Kenny konzentriert bis er von mir eine scharfe Ansage bekommen hatte und auch Kenny ihn einmal gewickelt hatte. 

Video 2 (oben) –  
Aykhan fixiert Cosima und splittet sie von Charis. In den Anfängen empfand ich sein sich dazwischen schieben  als soziales Regeln, da Cosima anfangs immer wieder mit Charis rumzickt. Nach Kennys Tod uferte Aykhans Verhalten allerdings in rüpelhaftes dominieren wollen gegenüber Cosima aus. Siehe Beitrag:  Kennys Tod,
so dass ich Gegenmaßnahmen ergreifen musste um den Rudelfrieden zu stabilisieren. 

Video 3 (oben) – 
Um sein Hüten, Umrunden und seine Dominanzversuche zu regulieren geht er den ersten Kilometer hinter mir. Schritt für Schritt soll er lernen die Hündinnen in Ruhe zu lassen. Er bleibt brav hinter meiner Schulterlinie pendelt aber hin und her.  

Video 4 (oben) – 
Ich nehme nur Einfluss mit meiner Stimme. Es ist der erste Spaziergang, bei dem Aykhan nicht mehr “Hüten” soll. Er darf weite Kreise ziehen, aber nicht mehr Cosima fixieren und ihre Bewegungsrichtung beeinflussen. Er versteht mich sehr wohl, muss aber erstmal das alte Muster beilegen lernen.   

Video 5 (oben)- 
Nur wenige Tage brauchte es, um Aykhan mit kleinen Einschränkungen vom Hüten abzuhalten. Zum Anfang des Spazierganges geht er hinter mir und dann wird er konsequent voraus geschickt. Er entfernt sich jetzt etwas weiter vom Rudel als im Hütemodus, kommt aber sofort bei leisem Pfiff. Im Video oben ist schön zu sehen, dass er mit Blicken nicht mehr Cosima fixiert sondern immer wieder mich anschaut. Das Rudel ist nun entspannter, insbesondere Cosima die durch meine Unterstützung ihre Sicherheit wieder gefunden hat.

Seine Ersatzhandlung ist nun Beutegreifen in Form eines meist etwa 2 Meter langen Astes den er sich sucht. Es macht ihm Freude diesen mittig auszubalancieren und damit durch die Gegend zu traben.  Charis versucht ihn bestmöglich dabei zu stören, so wie sie es immer mit Kenny gemacht hat.

Newsletter
Erhalte neue Beiträge sofort in Dein E-Mail-Postfach

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert