Kennst Du auch die Vorstellung: Fremde Hunde begegnen einander und wollen sich eher zerfleischen als Freunde werden?
Tief im Inneren habe ich diese Befürchtung immer und reagiere im Vorfeld mit Kontroll- oder Vermeidungsverhalten. Das Vermeiden konnte ich erst abstellen nachdem ich Lösungen für die Kontrolle gefunden habe. Mit andauerndem Vermeiden, z.B. unterwegs anderen Hunden aus dem Weg gehen, Besuchshunde ablehnen, keinen Notfall vorübergehend aufnehmen … etc. lernt der Hund nichts und ich nicht, und viele interessante Erfahrungen hätte ich nicht machen können.
Die großen Hundewiesen, wo scheinbar fremde Hunde im Duzend mit einander klarkommen haben stets meine Bewunderung. Ich muss zugeben ich kenne diese Treffpunkte nicht persönlich. Viele “Welpeneltern” unserer Welpchen haben mir berichtet und Videos gezeigt. Diese Wiesen scheinen sich auch eher im städtischen Bereich zu befinden wo es die weite Natur zum Wandern nicht gibt. Aber es ist wohl so, dass sich meist die selben Hunde treffen und eine eingespielte Gruppe bilden. Neuankömmlinge werden sehr wohl erst mal auf die ein und andere Art “gemoppt” . Das überwiegend friedliche Bild was sich zeigt, liegt sicherlich auch daran, dass unverträgliche Hunde und schlecht sozialisierte oder sehr dominante dort nicht freilaufend Gassi geführt werden.
Wölfisches Erbe unserer Haushunde gibt ein anderes als friedliches Verhalten vor, wenn fremde Rudel aufeinander treffen. Sie gehen sich im Normalfall lieber aus dem Weg und setzen Duftmarken ab damit die Reviergrenzen erkannt werden. Die größte Gefahr für die eigene körperliche Unversehrtheit ist Kontakt mit einem fremden Rudel für einen Wolf. Von der beschädigenden Einwirkung des Menschen einmal abgesehen. Insoweit ist es eine enorme soziale Entwicklung unserer Haushunde friedlich mit Fremdlingen umzugehen.
Die Eingliederung eines fremden Hundes in mein Rudel läuft nicht immer gleich ab. Zu unterschiedlich sind die Charaktere der Hunde. Die Ausgangslage kann unterschiedlich sein, auch das Alter der Hunde ist wesentlich. Schon vorhandene Strukturen müssen berücksichtigt werden. Und jeder anwesende Mensch tut das seinige dazu wie sich die Gruppenmitglieder begegnen und zusammenfügen.
Grundsätzlich aber gehe ich als Erstes mit dem Rudel in das Außenrevier. Dort ist die Toleranz gegenüber Fremdlingen größer als im Zuhause/Innenrevier.
Kontrollierte erste Begegnung
⦁ In der Regel nehme ich für die erste Begegnung immer nur einen Hund meines Rudels in das Außengelände mit um den Neuling nicht zu überfordern und um zu vermeiden dass die ganze Bande über ihn herfällt. Ob ich die Rangniedrigste oder die Rudelchefin nehme, einen Rüden oder Hündin ist abhängig von dem neuen Besucher oder Mitbewohner.
⦁ Alternativ gehen alle Rudelmitglieder an der kurzen Leine Beifuss und der/die Neue wird von einer anderen Person ebenso geführt. Nach gesittetem geführtem Wandern, werden dann die Hunde in kleinen Portionen von der Leine in den Freilauf gelassen.
⦁ Der Forscheste wird gemäßigt, damit die anderen nicht zu stark in die Notwehr gehen müssen. Die Mäßigung erfolgt bei mir meistens über die Schleppleine, eine lange Longe von 8 Meter Länge. Die ich Anfangs in der Hand behalte, später aber auch nachschleppen lasse. Auch der Schwächste muss das Gefühl haben, dass ich die Sicherheit gewährleisten kann. Dazu ist ein Rudelführer da.
⦁ Mit Worten nehme ich ebenso Einfluss soweit es erfolgversprechend ist. Meistens beruhigend oder bestätigend, oder auch ermahnend – je nach Situation.
⦁ Mit Körpersprache wirke ich ein durch Blickkontakt, einladene Haltung zu mir zu kommen oder durch Drohgebärde die z.B. nötig sein kann um einen ständigen Stänkerer zurückzuweisen.
⦁ Körperliche Aktionen bauen Spannungen ab, auch mentaler Art. Der erste gemeinsame Spaziergang sollte entsprechend lang sein, damit Energie abgebaut wird und damit die Hunde in Aktion erkennen können mit wem sie es zu tun haben.
⦁ Gemeinsame Übungen oder Aktionen verbinden. Auch das gemeinsam gelobt werden.
⦁ Ritualisierungen stellen sich erst nach einer Weile ein. Sie geben das Gefühl der Sicherheit. Impulse können dabei ausgelebt werden ohne zu beschädigen.
⦁ Soweit wie möglich sollen die Hunde alleine agieren, damit die natürliche Ordnung entsteht und jeder Hund seine eigene Strategie entwickeln kann.
Hunde haben Rechte
⦁ Der Neuankömmling muss Schritt für Schritt das Außen- und das Innenrevier ausgiebigst erkunden dürfen.
⦁ Ein ängstlicher, unsicherer Hund wird wenn er Vertrauen zu seinem Menschen hat bei diesem Schutz suchen, dass muss ihm gewährt werden. Diese Schutzzone müssen die anderen Hunde akzeptieren sonst werden sie von dem Menschen verwiesen.
⦁ Der ranghöhere Hund muss nach Hundeart Respekt einfordern dürfen.
Was man nicht tun sollte
⦁ Länger stehen bleiben auf diesem ersten “Freunde werden Spaziergang”, zumindest nicht wenn die Hunde frei laufen und sich noch nicht grün sind. Das durch die Gegend streifen, Geruchsproben nehmen, Nähe und Distanz zu den anderen erproben sind Möglichkeiten, die die Hunde gerne benutzen um sich nicht frontal konfrontieren zu müssen. Die Annäherung kann so aufgelockerter erfolgen.
⦁ Beutespiele spielen. Da ist Ärger vorprogrammiert. Weder Stöckchen noch Bällchen, weder geworfen noch gezerrt.
⦁ Leckerlies sollten natürlich auch nicht in die Gegend geworfen werden. Allerdings kann ein gesittetes Absitzen lassen der Hunde und jedem mit Namen sein Leckerli geben förderlich für die Integration sein. Die Hunde sehen, das der Neuling vom Menschenchef akzeptiert ist.
⦁ Bis auf eine kurze Begrüßung bekommt der Fremdling von mir als Familienoberhaupt keine weiteren Streicheleinheiten. Vorerst natürlich! Wenn meine Leithunde eifersüchtig werden, wird die Forderung nach einer Demutshaltung dem Fremdling gegenüber umso heftiger ausfallen.
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